Allgemein| 26.08.2025

Kann ich meine Adipositas einfach wegspritzen?

Bei der Adipositas (BMI über 30) handelt es sich um eine chronische Erkrankung, die eine lebenslange Therapie benötigt. Je früher mit einer Behandlung begonnen wird, desto besser sind die langfristigen Resultate. Dies betrifft alle Behandlungskonzepte, von verhaltenstherapeutischen Massnahmen bis hin zu den operativen Therapien.

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von Dr. Thomas Köstler und Dr. Iglika Hübenthal

Ziel der Adipositas-Therapie ist einerseits die Gewichtsreduktion selbst, anderseits eine bleibende Gewichtsreduktion zur Verhinderung von Begleiterkrankungen der Adipositas, wie Bluthochdruck, Zuckerkrankheit, Gelenksarthose, Depressionen und weitere. Eine grundlegende Veränderung der Ernährungsgewohnheiten ist dabei immer notwendig – denn ohne eine konsequente Reduktion der Kalorienaufnahme bleibt jede Massnahme wirkungslos.

Langfristige Diäten in Kombination mit regelmässigem Sport sind häufig eine Herausforderung für die Patientinnen und Patienten. Zudem wird der Körper während und nach jeder Diät den Energieverbrauch in Ruhe senken, was zum bekannten Jo-Jo-Effekt führt. Die Betroffenen nehmen nach einer Diät wieder zu und sind im Endeffekt schwerer, als vorher. Dies ist ein wesentlicher Grund, weshalb bei schwerer Adipositas (BMI über 35) die scheinbar einfachen Diäten mittel- und langfristig sehr oft scheitern.

Medikamentöse Therapien
Sie stellen für adipöse Menschen eine sehr gute unterstützende Massnahme zur Gewichtsreduktion dar. Aktuell behandeln wir unsere Patientinnen und Patienten mit einem sogenannten langwirksamen GLP-1-Analogon (Semaglutid), welches seit dem 1. März 2024 von der obligatorischen Krankenversicherung übernommen wird, falls die betroffene Person einen BMI über 35 oder einen BMI zwischen 28 und 35 mit dem Nachweis von Begleiterkrankungen aufweist. Dabei handelt es sich um ein Hormon, das gespritzt oder oral eingenommen wird. Es senkt den Blutzuckerspiegel und reduziert das Hungergefühl, was eine Diät erleichtert.

Das bedeutet, dass kleine Portionen für eine Sättigung ausreichen und kein ständiges Verlangen nach Essen vorhanden ist. Bei Diabetes-Betroffenen wird der Blutzuckerspiegel günstig beeinflusst. Zusätzlich wird die Fettverbrennung angekurbelt und der Körper verbrennt mehr Kalorien.

Die Wirkung des Medikaments ist im ersten halben Jahr am stärksten. Nach einem Jahr lässt die appetitsenkende Wirkung des Hormons langsam nach. Umso wichtiger ist eine zusätzliche Umstellung der Ess- und Lebensgewohnheiten. Zudem führt ein Absetzen der medikamentösen Therapie fast immer zu einem raschen Gewichtsanstieg. Die meisten Patientinnen und Patienten werden die medikamentöse Therapie deshalb über viele Jahre hinweg einnehmen müssen.

Es gibt aktuell nur eine einzige verlässliche Studie zu mittelfristigen Resultaten dieser Therapie. Sie zeigt einen Gewichtverlust von 15,2 Prozent nach zwei Jahren respektive 10,2 Prozent des Körpergewichts bei vier Jahren Therapiedauer. Nach vier Jahren erreichen nur 4,9 Prozent eine Gewichtsreduktion von mehr als 25 Prozent Ihres Körpergewichts.

Die Kosten für Semaglutid werden von der Krankenkasse für drei Jahre übernommen, wenn die Patientin oder der Patient sich begleitend in einem Adipositaszentrum behandelt lässt sowie nachweislich eine Diät durchführt. Bei den Nachkontrollen muss ein substantieller Gewichtsverlust erreicht und ärztlich dokumentiert werden.

Aktuell sind stärkere Medikamente in der Entwicklungsphase. Es handelt sich um Kombinationspräparate mit mehreren Hormonen, die eine Senkung des Hungergefühls bewirken. Mit dem Wirkstoff Tirzepatid beispielsweise zeigten erste Studien eine Gewichtreduktion von durchschnittlich bis zu 20,9 Prozent nach ein bis zwei Jahren. Unsere Erfahrungen bestätigen diese Wirksamkeit, wobei die Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Sodbrennen häufiger auftreten. Langfristige Resultate zu Wirkung und Nebenwirkungen liegen noch nicht vor.

Die Suche nach effektiven und sicheren pharmazeutischen Methoden zur Gewichtsreduktion bei Adipositas geht weiter. Neueste Kombipräparate mit drei verschiedenen Hormonen sollen in den nächsten zwei Jahren noch bessere Resultate erzielen. Die Langzeitwirkung und vor allem die mittelfristigen Nebenwirkungen dieser Therapien sind noch unbekannt.
Bei schwerer Adipositas (BMI über 35) lassen sich die besten Abnehmresultate nach wie vor mit einer operativen Therapie erreichen. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten, sofern die Betroffenen schon mehrfach mit Diäten erfolglos versucht haben, ihr Gewicht zu reduzieren.

Zahlreiche etablierte Operationstechniken.
Die alleinige Magenverkleinerung ist beispielsweise eine sehr schonende Operationstechnik mit äusserst niedrigen Langzeitnebenwirkungen, während die Magenbypassoperationen langfristig die besten Abnehmresultate erzielen. Je nach Operationstechnik kann der Patient durchschnittlich nach 10 bis 20 Jahren 25 bis 35 Prozent Gewichtsreduktion erreichen.

Auch nach einer Operation kann es wieder zu einem Gewichtanstieg kommen, sodass allenfalls ein zweiter chirurgischer Eingriff nötig ist. Dies betrifft, je nach durchgeführter Operation, zwischen 15 und 20 Prozent der Patientinnen und Patienten. Die aktuellen Medikamente und die etablierten Operationen sind eine sehr effiziente Ergänzung zu Diäten und verhaltenspsychologischen Massnahmen im Therapiekonzepts der Adipositas. Sie ermöglichen eine sehr gute Regulation des Hunger- und Sättigungsgefühls.

Bei schwerer Adipositas sind operativen Therapien den medikamentösen Therapien im Kurzzeitverlauf nach wie vor deutlich überlegen. Die Langzeitverläufe nach Operationen sind gut und geben vielen betroffenen Personen ein neues Leben. Medikamentöse Therapien haben Ihre Wirksamkeit im Langzeitverlauf noch nicht beweisen können.

Eine medikamentöse Therapie mit Semaglutid, wie wir sie in unserem Adipositaszentrum in Einzelfällen bereits anwenden, ist auch in Ergänzung zu einem operativen Eingriff möglich. Dies kann einen erneuten Gewichtanstieg, viele Jahre nach einem operativen Eingriff, abschwächen oder verhindern.

Man darf jedoch nicht vergessen, dass die Adipositas ein sehr komplexes Krankheitsbild ist und die Einleitung einer geeigneten und effektiven Behandlung eine individuelle ärztliche Beratung erfordert, um individuell das passende Therapiekonzept für die einzelnen Patientinnen und Patienten auszuarbeiten.

Die Krankheit Adipositas kann man nicht einfach wegspritzen. Da es sich um eine chronische Erkrankung handelt, ist eine engmaschige und langfristige multimodale Begleitung unerlässlich.

Dieser Artikel wurde am 18. August 2025 in der Limmattaler Zeitung publiziert.

Ratgeber Gesundheit: Kann ich meine Adipositas einfach wegspritzen? - Limmattaler Zeitung, 20.08.2025

Autoren
Dr. med. Thomas Köstler
Leiter Adipositaszentrum Limmattal
Leitender Arzt Klinik für Allgemein-, Gefäss- & Viszeralchirurgie

Dr. med. Iglika Hübenthal
Ärztliche Leiterin Ernährungsmedizin
FMH Innere Medizin und Ernährungsmedizin DAEM/DGEM, Adipositas-Therapeutin für Kinder und Jugendliche akj

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